In einem älteren Blogpost hatte ich von der Herausforderung erzählt, vor einem weißen Blatt Papier zu sitzen und auf Anhieb etwas entwerfen zu müssen. Als ich mit der Planung meines nachhaltigen Modelabels anfing, war es genau das Gegenteil. Mir schwirrte schon ein grober Plan im Kopf herum und getrieben von meiner unendlich großen Motivation legte ich einfach los. Bis mich irgendwann alles überrollte und ich den Überblick verlor.
Planlosigkeit = Schlaflosigkeit
Strategisches Planen gehört nicht zu meinen Lieblingsaktivitäten, das sieht man meinem enthusiastischen Gesichtsausdruck auf dem Foto deutlich an, oder? Insbesondere wenn ich neue spannende Aufgaben vor mir habe, neige ich dazu einfach drauflos zu legen. Jedes Mal war das Ergebnis, dass ich mich in einem wirren Chaos wiederfand und von vorn beginnen musste. Aus irgendwelchen Gründen tue ich es bei neuen Herausforderungen immer wieder und das seit über 20 Jahren! Also tat ich, zuverlässig wie ich bin, das Gleiche bei der Gründung meines nachhaltigen Modelabels.
Ich hatte meine Geschäftsidee bereits in einer Powerpoint-Präsentation festgehalten. Nach mehreren Jahren im Marketing bin ich jetzt eine ernstzunehmende Gegnerin beim Ausführen von Powerpoint-Schlachten! Mit meiner durchgestylten Präsi gewappnet, füllte ich mich bereit loszulegen und setzte an mehreren Enden gleichzeitig meine Geschäftsidee um. Lieferanten suchen, Branding entwickeln, Designs erstellen, usw. Ich war so rastlos, dass ich gar nicht mehr schlafen wollte. Ich war so voller Energie, dass ich am liebsten 24 Stunden durchgearbeitet hätte. Ich kam auf diese Art und Weise sogar relativ weit – bis kurz vor Produktion meiner ersten Kollektion. Stoffe wurden in Produktion gegeben, die Produktionsstätte stand quasi in den Startlöchern, der Markenname war angemeldet…doch je weiter ich fortschritt, desto schlechter konnte ich schlafen. Ich lag monatelang schlaflos im Bett, weil es in meinem Kopf nicht aufhörte zu rattern. Ich plante für den nächsten Tag, die nächste Woche, den nächsten Monat und das nächste Jahr. Trotzdem wachte ich am nächsten Morgen auf und wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
Planlos loslegen ist wie Glücksspiel
In der Gründungsphase musste ich viele wichtige Entscheidungen treffen: Angefangen beim Markennamen, über die finalen Designs bis hin zu den passenden Lieferanten und Produzenten. Hinzu kommen noch viele kurzfristig zu fällende Entscheidungen, die aber langfristige Auswirkungen haben. Mitten in der Produktentwicklung fand ich per Zufall heraus, dass der Stoff vom Longpullover Sweater plötzlich ausverkauft war! Der Lieferant hatte mir zuvor versichert, dass er noch jede Menge Stoff auf Lager hätte. Mir wurde angeboten mich an der Produktion für Februar mit einer Anzahlung zu beteiligen. Ich war mitten in der Entwicklung der ersten Kollektion, hatte noch keine Finanzierung in der Tasche und sollte entscheiden, ob ich 50 m Stoff fünf Monate vorher bestelle?! Mein Mann war zu dem Zeitpunkt mit Bewerbungsgesprächen beschäftigt und lebte in einer Parallelwelt, ich hatte kaum Freunde in Berlin und mir war nicht danach meine Freundinnen per Whatsapp zu fragen: „Soll ich auf gut Glück 50 m Stoff produzieren lassen?“ Ich fühlte mich ein bisschen wie beim Glücksspiel. Allerdings nicht wie eine beflügelte Spielerin, sondern eher wie eine getriebene Spielsüchtige mit Bauchschmerzen und Augenringen.
Planen macht zwar keinen Spaß, aber es hilft
Jetzt im Nachhinein möchte ich jedem den Rat geben: Frag’ andere Menschen nach ihrer Meinung! Und vor allem verschiedene Menschen – Partner, Freunde und Arbeitskollegen. Viele unterschiedliche Meinungen oder überschneidende Meinungen helfen Dir bei Deiner Entscheidung weiter. Allein das Aussprechen der Pros und Cons, die Dich nächtelang wachhalten, bringen Dich bereits einen Schritt weiter. Du musst nicht alles allein machen! Auch wenn Du zur Perfektion neigst und nichts daran ändern kannst! Das nur als Rat am Rande.
Als mir in der Gründungsphase der erste fatale Fehler passierte, wurde mir klar, dass ich an meiner Arbeitsweise etwas ändern musste. Mit der ersten Schnittmacherin bin ich in eine Katastrophe geschlittert, was mir noch mehr Bauchschmerzen und schlaflose Nächte bereitete (die Geschichte erzähle ich Dir ein anderes Mal). Irgendwann klagte ich meinem Ehemann von meinem Leid. Ich erzählte ihm, dass ich nicht mehr schlafen könnte, weil ich so viele Dinge auf einmal zu tun hätte und ich nicht weiß, wo mir der Kopf stand. Ich bat um einen Workshop, in dem alle Aufgabenbereiche meines Modebusiness mit den dazugehörigen Schwerpunktaufgaben erfasst und festgehalten werden sollten. Das taten wir dann drei halbe Tage lang (mein Mann hatte noch einen richtigen Job und ich musste mich meinem zweiten Job, unserer kleinen Tochter, widmen). Wir überlegten uns, in welche Abteilungen wir mein Unternehmen aufteilen könnten und notierten diese auf Karteikarten. Dann legten wir die Schwerpunktaufgaben für jede Abteilung fest und danach die dazugehörigen Unteraufgaben. Wir notierten alles auf verschiedenfarbige Kärtchen und klebten sie an die Wand. Mein Modebusiness besteht nun aus diesen sechs Abteilungen:
- Unternehmens- und Markenstrategie
- Produktentwicklung
- Produktion und Lagerung
- Marketing, Vertrieb und Versand
- Controlling und Rechnungswesen
- Prozessmanagement
Die letzte Abteilung konnte ich leider nicht abwenden, weil mein Mann darauf bestand. Allerdings hat bisher auch nur er in dieser Abteilung gearbeitet.
Zum Schluss entstand unser Meisterwerk, das mich stark an das verrückte Bild erinnert, welches der schizophrene Russel Crowe in Beautiful Mind an die Wand gemalt hatte. Aber das Niederschreiben, Besprechen und Festhalten aller Aufgaben war wie ein Befreiungsschlag! Alle schlafraubenden Gedanken habe ich förmlich abgegeben, indem ich sie auf eine Karteikarte geschrieben hatte. Tatsächlich konnte ich danach wieder schlafen, weil ich wusste, dass im Nebenzimmer der Masterplan meines Modebusiness an der Wand hing. Dafür bin ich meinem Mann unendlich dankbar.
Planen hilft das scheinbar Unmögliche zu bewältigen
Sicherlich denkst Du jetzt: Arbeitet diese Frau nun allein in diesen sechs Abteilungen? Wie gesagt, in der letzten arbeitet mein Mann, aber in den anderen fünf arbeite im Moment hauptsächlich ich. Ein Bekannter sagte beim Anblick unseres Masterplans: „Mensch, um das allein zu schaffen, musst du ja Jesus Christ sein!“ Ich fragte mich beim Anblick unserer Planung ebenfalls, ob ich mich nicht wieder hinter dem Schreibtisch meines alten Arbeitgebers verkriechen möchte. In dem Sinne stellte die Planung meines Geschäftsmodells gleichzeitig ein finales Commitment dar, mich auf das Abenteuer “Modelabel gründen” einzulassen. Ich nahm die Herausforderung an und habe es seitdem nicht bereut (nur manchmal ins Kissen geheult). Im Moment sind einige Abteilungen noch nicht voll ausgelastet, so dass ich tatsächlich alles größtenteils allein schaffe. Ich sage bewusst größtenteils, denn ich arbeite ja mit unterschiedlichen Lieferanten und Partnern zusammen. Die sind zwar nicht eingestellt, aber trotzdem Teil meines Teams. An dieser Stelle ist es angebracht, meiner Schwester für ihre herausragende Unterstützung zu danken. Ich bin so dankbar, dass sie mir trotz ihres 24 Stunden-Jobs unter die Arme greift! Neben ihr habe ich auch noch viele andere Menschen, die mich unterstützen. Denen widme ich mal einen eigenen Blogbeitrag zu Weihnachten.
Planen ist ein trockenes Thema. Auch wenn ich versucht habe, diesen Beitrag mit dem Clown in mir aufzulockern, bleibt es ein trockenes Thema. Mich würde interessieren, was Du zukünftig hier lesen möchtest. Wartest Du auf ein bestimmtes Thema? Hast Du einen bestimmten Beitrag besonders gern gelesen? Hinterlasse mir gerne Deine Meinung in den Kommentaren. Ich freue mich über Dein Feedback!
Fotos: P.M., Michal Parzuchowski
Ich bin voller Stolz über Deine Leistung und freue mich über weitere Dreitage-Workshops zum Thema Betriebsmodell und Prozessmanagement. Love it! Love you! Pat
Ich dich auch!