Wenn wir auf die letzten paar Jahre zurückblicken, haben wir großartige Trends und Bewegungen in der Mode gesehen. Menschen entdeckten die Handarbeit, wurden politisch und fingen an, sich mehr Gedanken darüber zu machen, was und von wem sie etwas kaufen. Immer mehr Menschen legen beim Bekleidungskonsum Wert auf Nachhaltigkeit.
Allerdings hat die Modeindustrie noch einiges zu tun. Die Branche ist für rund 40 Millionen Tonnen Textilabfälle pro Jahr verantwortlich, von denen die meisten entweder auf Mülldeponien landen oder verbrannt werden. Die Emissionen steigen weiter an, die Kreislaufwirtschaft ist nach wie vor schwer greifbar, und nachhaltige Textilien müssen sich nach wie vor noch bei der Masse durchsetzen. Die Modeindustrie muss sich darauf konzentrieren, weniger Schaden anzurichten und mehr Gutes zu tun.
Die gute Nachricht ist, dass junge Modelabels neue Lösungsansätze finden und die Modebranche in Richtung eines grundlegenden Wandels führen. Kleine Modelabels scheinen anders zu denken und sind in der Lage, flexibler zu handeln. Gemessen an ihren Umweltauswirkungen schneiden viele kleine Modeunternehmen besser ab als große Unternehmen, weil sie aufgrund ihres Geschäftsmodells weniger Ressourcen verbrauchen und weniger Abfall produzieren.
Wir brauchen einen systemischen Wandel, der es Menschen und Unternehmen ermöglicht, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, welches die Definition einer nachhaltigen Gesellschaft aufgreift – nämlich dass umweltbezogene, wirtschaftliche und soziale Ziele gleichzeitig und gleichberechtigt umgesetzt werden. Die nachhaltige Zukunft der Mode liegt in der regenerativen Landwirtschaft, in haltbaren und zeitlosen Kleidungsstücken, geschlossenen Kreisläufen und biologisch abbaubaren Verpackungen sowie branchenübergreifende Kooperationen, die bei der Umsetzung dieser Ziele behilflich sind.
Regenerative Beschaffung
Regenerative Landwirtschaft wird für viele Industrien “die Zukunftslösung” für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Beschaffung sein. Regenerative Anbaumethoden verbessern aktiv das Ökosystem, einschließlich der Bodenqualität, biologischen Vielfalt und Regeneration des Bodens, so dass er CO2 aus der Umgebung abbauen kann.
In Bezug auf die Geschäftsstrategie sollte das langfristige Ziel darin bestehen, lokale Textilhersteller oder -verbände zu ermutigen, bodenfreundlichere Fasern wie Flachs oder Hanf anzubauen und auf die ROC-Zertifizierung der Regenerative Organic Alliance für Fasern wie Baumwolle, Wolle und Kaschmir hinzuarbeiten.
Damit ein Unternehmen zu einer regenerativen Beschaffung übergehen kann, ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter eines Unternehmens die landwirtschaftlichen Praktiken verstehen und die gleichen Werte teilen. Die Schulung seiner Mitarbeiter erleichtert dem Unternehmen nicht nur die erfolgreiche Umsetzung der Strategie, sondern befähigt auch die Mitarbeiter, die Gründe für erneuerbare Naturmaterialien nachzuvollziehen.
Nach- und Rückverfolgung
Die Track-and-Trace-Technologie trägt nicht nur dazu bei, das die Transparenz und das Kundenvertrauen in der Lieferkette wiederherzustellen, sondern sie ermöglicht es auch den Modeunternehmen u.a. ihren Rohstoffverbrauch oder ihre Fortschritte bei der Reduzierung ihrer CO2-Emissionen zu messen. Vielleicht werden Lieferkettentransparenz und CO2-Ausgleich die zukünftige Währung eines Unternehmens für den Zugang zu Krediten und Investoren.
Die CO2-neutrale Lieferkette ist eine komplizierte Herausforderung, die für Modeunternehmen schwer umsetzbar ist. Ein Ansatz wäre die Analyse des Hauptmaterialverbrauchs und die Messung der Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus vom Rohmaterial bis zum Ende der Nutzungsdauer. Bei der Messung und Auswertung können externe Unternehmen zur Unterstützung herangezogen werden. Wenn sich die gesamte Modebranche diesem Ziel verschreibt, muss der Prozess so weitreichend sein, dass er auch andere Probleme der Modeindustrie wie z.B. Abfall und Verwendung gefährlicher Chemikalien berücksichtigt.
Verantwortungsvolles Design
Modemarken erkennen allmählich, dass das Mengen Getriebene und schnelle Wachstum auf Kosten des Designs und der Kundenbeziehung geht und dadurch viele Restbestände entstehen. Designer müssen das Entwerfen von Bekleidung als Methode zur Lösung des Problems betrachten: Es ist deren Aufgabe, für die Konsumenten den Bedarf, eine lange Lebensdauer der Textilien sowie deren Wiederverwendung, -verwertung oder -verkauf sicherzustellen.
Praktische Kleidungsstücke, die vielseitige Tragemöglichkeiten bieten, haben das Potenzial preissensible, post-pandemische Verbraucher anzusprechen. Der Fokus auf die “Kosten-pro-Kleidungsstück” wäre vorteilhaft für vielseitige und saisonübergreifende Kleidung, weil sich die initial höhere Investition beim mehrmaligen Tragen des Kleidungsstücks relativieren würde. Bei der Reduktion des gesamten CO2-Fußabdrucks eines Designs kann die Berücksichtigung kleinster Details, wie z.B. die Reduzierung unnötiger Komponenten oder die Verwendung von biologisch abbaubarem Garn große Auswirkungen haben.
Kooperationen sind heute fester Bestandteil in der Modeindustrie. Viele sind bereits sehr fortschrittlich und zukunftsweisend, indem innovative Methoden traditionelle ablösen oder neue bahnbrechende Verfahren die Industrie revolutionieren. Neue Entwicklungen in der AI-Technologie können es zukünftig ermöglichen, dass Konsumenten beim Online-Shoppen per Webkamera vermessen und das Kleidungsstück auf ihre Maße hergestellt werden kann. Ein wichtiger Schritt in Richtung einer Modeindustrie, die ressourcenschonender wirtschaftet und weniger Abfall produziert.
Neuentwicklung des Verpackungsmaterials
Das rasante Wachstum des Online-Shoppings ist unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit äußerst problematisch. Vor allem Versandverpackungen haben negative Auswirkungen auf die Umwelt, weshalb sie vom Plastikversandbeutel bis hin zum Versandkarton Optimierungsbedarf haben.
Organisationen wie The Sustainable Packaging Coalition, deren Mitglieder die gesamte Lieferkette abdecken, und die Initiative New Plastic Economy der Ellen MacArthur Foundation, die Unternehmen dabei unterstützen will, den Kunststoffsektor kreislauffähiger zu machen, können auf diesem Feld neue Lösungen liefern. Wenn Unternehmen diese Probleme jetzt angehen, können sie der Verpackungspolitik einen Schritt voraus sein. Weltweit verabschieden Regierungen aktuell Gesetze, die Unternehmen dazu verpflichten ihre Abfälle zu reduzieren.
““Beim Klimawandel geht es nicht nur um Emissionen. Es geht um ein System, in dem einige Wenige profitieren, und das auf Kosten der großen Mehrheit und des Planeten selbst.” – Muhammad Malas, leitender Klimaaktivist der Interessensgruppe Stand.earth.
Insbesondere in Skandinavien wachsen viele Modeunternehmen, während sie verantwortungsvolle Praktiken einführen und mit anderen Unternehmen Kooperationen eingehen, die dieselben Werte wie sie teilen. Die skandinavische “It”-Marke, Ganni, hat mit (Di)vision zusammengearbeitet – ein Unternehmen, das aus dem Upcycling von Vintage-Kleidung ein Geschäftsmodell entwickelt hat. Sie wuchsen über ein erfolgreiches Verknappungsprinzip, indem sie limitierte Upcycling-Kollektionen heraus brachten und gleichzeitig Restbestände in Form von gebrauchter Vintage-Kleidung wiederverwerteten. Als das Unternehmen wuchs, erkannte (Di)vision, dass sich geupcycelte Kleidungsstücke nicht für ein großes E-Commerce-Unternehmen eignen. Das Unternehmen verwendet nun für 90 % seiner neuen Kollektionen luxuriöse Deadstock-Stoffe aus italienischen Textilfabriken, die u.a. Stoffe für Rick Owens, Gucci und Jil Sander produzieren.
Die jungen skandinavischen Designer betonen, dass sie untereinander nicht konkurrieren, da sie alle gemeinsam auf das gleiche Ziel hinarbeiten. Wäre es nicht wünschenswert, dass die globale Modeindustrie auf diese Weise arbeitet?