„Das habe ich vorher noch nie versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe“, ein Zitat von Pippi Langstrumpf, dass mir in letzter Zeit öfters über dem Weg gelaufen ist. Ganz nach diesem Motto spielte ich Mitte Dezember in meinem Kopf mit der Idee einen Pop-up-Store zu eröffnen. Diese Idee beschäftigte mich bereits seit zwei Jahren, doch nach der Geburt meines Sohnes Ende 2018 hatte ich vorerst mit anderen Themen zu tun, wenn du weißt was ich meine! Doch als sich das Jahr 2019 dem Ende zuneigte, juckte es förmlich in meinen Fingern und ich rief meine Schwester Mai an, um sie zu fragen: „Was hältst du davon mit mir zusammen einen Pop-up-Store zur Berlin Fashion Week im Januar zu eröffnen?“
Finde eine Location
Für mich war klar, dass ich neben nachhaltiger Mode noch etwas Anderes brauchte, um die Kunden in den Shop zu ziehen. Da kam mir sofort die Idee einer Natural Beauty Lounge – ein Bereich im Shop, wo sich Kunden, Promis etc. für die Fashion Week schminken und beraten lassen konnten, gepaart mit hilfreichen Tutorials. Als Mai zusagte und dieser Punkt gesichert war, galt es eine passende Location zu finden. Schließlich waren es nur noch vier Wochen bis zur Fashion Week im Januar! Die Location sollte möglichst im Geschehen der Berliner Fashion Week mit viel Laufkundschaft sein. Leichter gesagt als gefunden, doch da landete ein Newsletter von The Lovers in meinem Postfach, in dem es um die Einweihung des neuen The Lovers & Leaders Space in der Torstraße ging. Ich folgte dem Wink des Schicksals und schrieb Yasmine, Gründerin der Lovers Community, an. Dann ging alles ganz schnell und die Location war einige Tage vor Heiligabend gesichert. Nun gab es für mich kein Zurück mehr.
Stelle das Sortiment zusammen
Einen kleinen Haken hatte die Location allerdings: Die Miete war viel höher als vermutet. Im Vergleich zu anderen Locations, die wir angefragt haben, allerdings akzeptabel. Für mich war die oberste Priorität die Miete zu decken, damit für mich im Nachhinein nicht zu hohe Kosten entstehen. Zum Glück habe ich ein großes Netzwerk an nachhaltigen Designern und schlug Ihnen vor, ihre Mode im Pop-up-Store mit anzubieten. Meine Freundin Alexa von Alexas Alphabet konnte ich schnell begeistern, von den restlichen Designern hagelte es leider nur Absagen oder es kam keine Antwort. Na gut, es war drei Tage vor Heiligabend und ich konnte gut verstehen, warum andere nicht ganz so euphorisch waren wie ich. Dann fing ich an mein entfernteres Netzwerk anzuschreiben: Nachhaltige Designer, dich ich flüchtig kannte oder welche, die mir auf Instagram folgten. Ganz nach dem Motto: „Wer meine Insta-Posts und Stories liked, der hat vielleicht auch Lust in meinen Pop-up-Store zu kommen“. Ich konnte kaum fassen, wie positiv die Rückmeldungen waren! Keine der Designerinnen scheute sich über Weihnachten mein Angebot durchzulesen und Zahlen zu wälzen. Letztendlich sagten mir acht Mode- und Accessoires-Marken zu und Mai organisierte die Neunte. Zusammen mit l’amour est bleu waren wir zehn Fair Fashion Brands mit sehr unterschiedlichen Produkten und Stilrichtungen – von Damenmode, Kindermode bis hin zu Schmuck und Accessoires war alles dabei. Das Sortiment sah klasse aus und die Preisgestaltung war perfekt!
Ohne Bürokratie funktioniert gar nichts
Es folgte mein unbeliebtester Teil der ganzen Organisation: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion erstellte ich die Verträge für alle Modemarken. Zusätzlich verfasste ich eine Anweisung für alle Designer, damit sie wussten, was ich von ihnen alles brauchte und wo sie ihre Produkte hinschicken sollten. Der Online-Flyer und das Event-Programm wurden erstellt, damit die Designer den Pop-up-Store auch in ihren Social Media-Kanälen bewerben konnten. Es waren nur noch zwei Wochen bis zur Eröffnung des Pop-up-Stores und nur über eine gebündelte Reichweite konnten wir genug Besucher für den Shop akquirieren. Ich verschickte Einladungen an Blogger, Influencer und Redakteure aus der Fair Fashion Branche, während Mai das gleiche für die Beauty-Branche machte. Zu guter Letzt mussten noch Möbel organisiert werden. Vor Ort gab es schon viele Möbel, die wir nutzen konnten, doch es fehlten elementare Dinge wie eine Umkleidekabine oder ein Kassentisch samt Kasse. Diese zwei Dinge haben mich fast in den Wahnsinn getrieben, bis letztendlich der Pragmatismus siegte: Wir kauften einen Paravent und eine Geldkassette. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Die letzte Woche vor der Eröffnung war von langen Nachtschichten gezeichnet, doch das Adrenalin kompensierte alles.
Am Freitag vor der Eröffnung wachte ich mit Lampenfieber auf. In meinem Kopf breitete sich der hysterische Gedanke aus: „Scheiße, was habe ich mir dabei gedacht?! Ich kann das nicht!“
Begegne Herausforderungen mit Vertrauen und Pragmatismus
Ganz so reibungslos wie auf meiner Seite lief es mit dem Beauty-Bereich leider nicht. Die potenziellen Naturkosmetik-Marken haben sich bereits zwei Wochen vor Weihnachten in den Weihnachtsurlaub verabschiedet und waren erst in der zweiten Januarwoche wieder erreichbar. Zum Schluss haben wir dank Mais und Ellis Einsatz mit Davines, Hiro und Viliv großartige Naturkosmetik-Marken als Partner gewinnen können. Nach und nach wurden die Produkte der Designer und der Kosmetikfirmen samt Mobiliar angeliefert und mein Keller füllte sich bis zum Rande. Mein DPD-Bote des Vertrauens rief mich einige Tage vor der Eröffnung des Pop-up-Stores an und sagte: „Thien, ich habe hier ein Drittel meines Lieferwagens mit Paketen für dich voll, was ist los?“ Als ich ihm euphorisch mitteilte, dass ich einen Pop-up-Store eröffnen werde, bekam ich als typische Berliner Antwort: „Das ist ja schön für dich!“. Beim Anblick der ganzen Kartons und Möbel graute es mir vor dem Aufbau. Am Freitag vor der Eröffnung wachte ich mit Lampenfieber auf. In meinem Kopf breitete sich der hysterische Gedanke aus: „Scheiße, was habe ich mir dabei gedacht?! Ich kann das nicht!“ Als ich meinem Mann am Frühstückstisch panisch meine Gedanken mitteilte, bekam ich als unterstützende Antwort: „Du weißt schon, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt, oder?“
Richte den Laden ein
Da hatte mein Mann schon Recht. Zum Glück war meine To Do-Liste so lang, dass sie dreimal um die Welt reichte und ich dadurch keine Zeit hatte, mich mit meiner Angst zu beschäftigen. Durch das ständige Arbeiten kam ich in einen regelrechten Flow, der mich durch den ganzen Stress sicher hindurchführte. Ich hatte zwar To Do-Listen, aber mir fiel aus irgendeinem Grund alles leicht von der Hand, so als ob ich schon routiniert im Eröffnen von Pop-up-Stores war. Ich hatte einfach ein ganz tiefes Vertrauen, dass alles klappen wird oder so kommen wird, wie es sein soll. Ein Tag vor der Eröffnung fuhren wir mit drei Autos vor und luden den Inhalt unseres halben Kellers im Laden ab. Wir hatten laut Vertrag vier Stunden Zeit einen vollkommen leeren Laden einzurichten. Es standen zum Glück schon zwei Tische und Kleiderstangen im Laden, aber von einem eingerichteten Ladengeschäft waren wir noch meilenweit entfernt. Wie Turbo-Heinzelmännchen gingen Mai, ihre Partnerin Elli, mein Mann und ich ans Werk und bauten den Shop auf. Tanja von Colour Stories und Korinna von Kokobasket kamen noch vorbei und packten mit an. Zu unserem Glück bekamen wir von Yasmine das ok, solange im Laden aufzubauen, bis wir fertig waren. Nach dem Aufbau folgte das Einrichten, für mich die Seele eines Shops. Gemeinsam dekorierten wir die Tische und gestalteten den Laden so wie ich es mir mehrere Male vor meinem inneren Auge ausgemalt hatte. Nach insgesamt sieben Stunden standen Mai, Elli und ich in einem fertig eingerichteten Pop-up-Store und ich konnte das Wunder nicht fassen!
Auf dem Foto rechts siehst du den tollen Foodtruck von Feel Good Foods. Eva hat uns mit ihren leckeren und gesunden Snacks von lokalen Herstellern verköstigt – einer der Highlights des Fair Fashion Pop-up-Stores.
Lohnt sich ein Pop-up-Store?
Zur Eröffnung waren wir noch nicht ansatzweise perfekt aufgestellt. An den Kleidungsstücken fehlten Preisschilder, die Bügel waren noch nicht geliefert, die Artikel waren nicht alle im Kassensystem errichtet, es waren noch nicht alle Events online gestellt…das waren aber alles Punkte, die wir im Laufe des Betriebs nach und nach abarbeiteten. Von Tag eins an hatten wir durchgängig so viel Besuch, dass Mai, Elli und ich kaum Zeit hatten Pausen zu machen oder uns hinzusetzen. Es gab auch ruhige Phasen, doch in der Zeit wurde organisiert, gepostet oder Events wurden vorbereitet…es war eine volle, aufreibende Woche.
Ob sich der Shop gelohnt hat? Wenn wir von den klassischen Kennzahlen ausgehen, sind wir mit einem Plus Minus null rausgegangen. Unter der Berücksichtigung, dass wir für die Eröffnung des ersten Pop-up-Stores initial in Mobiliar, Dekoration, etc. investiert haben, ist es für mich ein zufriedenstellendes Ergebnis. Kostenoptimierung, Kundengewinnung und Umsatzsteigerung sind alles Kennzahlen, die wir mit den entsprechenden Maßnahmen optimieren können. Doch es hat sich ein Mehrwert ergeben, mit dem keiner von uns vorher gerechnet hatte: Unsere Vision war es, mit dem Fair Fashion Pop-up den Menschen zu zeigen, wie großartig ein nachhaltiger Lifestyle sein kann und dass es nichts mit Einschränkungen und Kompromissen zu tun hat. Als motiviertes Team haben wir diese Message erfolgreich an die Kunden im Shop und die Follower in den sozialen Medien übermittelt. Das Feedback war durchweg positiv und wir haben in nur einer Woche so viele wunderbare Menschen kennengelernt und neue Bekanntschaften hinzugewonnen. Alle Brands haben in der kurzen Zeit viel hilfreiches Feedback bekommen, ihr Netzwerk erweitert und an Sichtbarkeit gewonnen. Der Großteil der Designer – alles Einzelunternehmerinnen- ist zu einer Community zusammengewachsen, die sich gegenseitig unterstützt und motiviert. Fast alle Designer führen rein online ihre Mission „Nachhaltigkeit in die Welt zu bringen“. Doch als Online-Marke musst du auch offline gehen. Wir leben heutzutage in einer online-dominierten Welt und unterschätzen, wie wichtig der echte zwischenmenschliche Kontakt ist. Die Pop-up-Woche hat für die Marken und das Thema Nachhaltigkeit mehr Sichtbarkeit offline und online verschafft. Es ist ein Dialog, der auf beiden Kanälen geführt werden muss – er wird jetzt online fortgeführt, um bald wieder im nächsten Pop-up offline geführt zu werden…und auf diese Weise ergibt sich ein Kreislauf, der hoffentlich immer mehr Menschen zu einem nachhaltigen Lifestyle inspiriert.
*Wichtiger Nachtrag: Ohne mein großartiges Team hätte ich das ganze nie geschafft. Ich hatte das unglaubliche Glück mit Mai und Elli zwei Frauen an meiner Seite zu haben, die genauso motiviert an die Sache rangegangen sind ich. Mit Sabina als Stylistin und Eva mit ihrem Foodtruck waren wir ein unschlagbares Team! Auch Korinna, Tanja und Alexa haben als Designerinnen viel Support vor Ort geleistet. Vielen lieben Dank euch allen für diese tolle Zusammenarbeit!
Das waren die Fair Fashion Brands im Shop: Alexas Alphabet, Hoffnungsträger Hamburg, Lit Lab Berlin, Petit Kolibri, Colour Stories, House of Wolf, l’amour est bleu, Moncinta, Libellas, Kokobasket, OGNX
Beauty: Davines, Hiro Cosemetics, Viliv, Carina Beauty
Food: Feel Good Foods