Glaubst du an Schicksal? Eine sehr spirituelle Frage, um einen Blogpost zu beginnen, ich weiß. Ich glaube an das Schicksal, weil sich viele Dinge in meinem Leben so gefügt haben, wie ich es mir gewünscht habe. Auf der anderen Seite sind auch viele Wünsche nicht in Erfüllung gegangen, doch da rede ich mir ein, dass es nicht so sein sollte!
Als l’amour est bleu noch eine Idee in meinem Kopf war, wollte ich ein nachhaltiges Modelabel gründen, das Mode auf Bestellung verkauft. Da ich schon immer nach der Devise „ganz oder gar nicht“ gelebt habe, war das für mich die nachhaltigste Art Mode zu machen. Meine Idee war es, Kollektionen zu entwerfen, eine Bestellphase einzurichten und anschließend nur so viel Stoff zu bestellen und Kleidungsstücke nähen zu lassen, wie auch bestellt worden sind. Doch diese nicht neu erfundene Art Mode zu machen war für andere äußerst revolutionär, wenn nicht sogar utopisch.
Keiner ist bereit zwei Wochen auf Mode zu warten
Jeder hat mir von Made to order abgeraten, angefangen bei Freunden bis hin zu Business-Beratern. „Kein Kunde sei bereit zwei Wochen auf Mode zu warten“ oder „dieses Geschäftsmodell sei nicht skalierbar“, durfte ich mir anhören. Trotzdem blieb ich meiner Vision treu, doch die größte Hürde war die Modeindustrie selbst. Sie war nicht für diese Art der Lieferkette gemacht. Die nachhaltige Modeindustrie war damals (vor zwei Jahren!) noch viel kleiner, als sie heute ist und in diesem Bereich eine neue Lieferkette einführen zu wollen, war unmöglich. Na gut, es hätte mit viel Geld und Zeit funktioniert, was ich beides nicht hatte. Die konventionelle Modeindustrie funktioniert nämlich so: Lange Vorlaufzeiten, hohe Mengen, hohes Investment, großes Risiko. Wir arbeiten an einer Sommerkollektion mit einem Vorlauf von einem Jahr und sollen da entscheiden, welche Stoffe und Styles im nächsten Jahr zu einer Kollektion zusammengestellt werden sollen. Anschließend wird noch geschätzt, wie viele Teile in welchen Größen hergestellt werden sollen und fertig ist die Kollektion. Dann heißt es Augen zu und Daumen drücken. Dieses System funktioniert so gut, dass Unternehmen wie H&M oder Burberry jedes Jahr Millionen von Kleidung verbrennen. Ich investierte viel Zeit darin, Stofflieferanten und Produzenten mein Konzept zu erklären und obwohl sie den nachhaltigen Ansatz befürworteten, wollten oder konnten sich nicht auf Made to order einlassen.
Man muss sich der mächtigen Modeindustrie fügen
Letztendlich habe ich klein beigegeben und meine erste Kollektion ganz konventionell vorproduzieren lassen – vier Styles mit jeweils 50 Stück pro Style, aufgeteilt in die Größen S, M und L. Der Bank, die meine Idee finanziert hat, gefiel diese Methode auch besser. Die zweite und dritte Kollektion habe ich genauso umgesetzt, nur mit geringeren Stückzahlen. Es trat das ein, was bei allen Modemarken eintritt: Ich blieb auf einigen Styles sitzen. Aus jahrelanger Erfahrung legte ich den Größenschwerpunkt von l’amour est bleu auf die Größe M und musste feststellen, dass meine Kundinnen hauptsächlich Größe S kaufen. Dann gibt es natürlich Styles die schlechter verkauft werden, als andere. Diese werden in der Modeindustrie liebevoll als „Penner“ bezeichnet. Das wurmte mich sehr, denn die nicht verkauften Kleidungsstücke waren gebundenes Geld, welches ich für als Investition für die nächsten Kollektionen brauchte. Was sollte ich nun tun? Die Reste im SALE unter Wert verkaufen? An Influencer verschenken? Ich tat nichts davon, sondern behielt einen langen Atem. Schließlich sind meine Designs zeitlos und saisonunabhängig, d.h. ich musste die Frühjahr-Sommer-Kollektion nicht in einer Saison abverkaufen. So füllt sich die Kasse zwar langsamer, aber ich entwerte nicht meine Mode und die Arbeit, die dahintersteckt.
Das Schicksal führte mich zu Made to order
Trotzdem wurmte mich die Vorstellung, für jede Kollektion ein hohes Investment zu tätigen und blind Bekleidung anfertigen zu lassen, auf der ich lange Sitze. Im letzten Jahr kam es schließlich dazu, dass die finanziellen Mittel nicht mehr reichten, um die nächste Kollektion vorzufinanzieren. Als die Bank dann noch einen weiteren Kredit ablehnte, bekam ich es mit der Panik zu tun. War es jetzt das Ende? Ich kann doch nicht einfach eine Kollektion auslassen? Und da schoss mir meine alte Vision wieder in den Kopf: Warum nicht Made to order ausprobieren? Theoretisch hatte ich noch genug Ware zum Abverkaufen, doch eine neue Kollektion sollte für frischen Wind sorgen. Was hatte ich schließlich zu verlieren? Im schlimmsten Fall hätte ich kein Teil der Made to order-Kollektion verkauft und hätte nur die Kosten für die Stoffe und meine Zeit investiert. Da mir diese Idee nämlich sehr kurzfristig einfiel, fehlte leider die Zeit die Muster von meiner Schnittmacherin und Produktion in Jahnsdorf anfertigen zu lassen.
Jetzt laufe ich mindestens einmal die Woche zu Karen, um meine fertig genähten Bestellungen abzuholen…ich glaube, besser konnte es nicht kommen. Obwohl doch, es kommt noch besser: Die Made to order-Kollektion ist aktuell die erfolgreichste Kollektion von l’amour est bleu!
Auch die höchste Hürde kann man meistern
Die Musterkollektion war die einfachere Herausforderung bei der Umsetzung von Made to order. Die viel größere Herausforderung war Schneider*innen zu finden, die für mich die Bestellungen nähen. Das Studio U&N konnte dieses Projekt nicht umsetzen, weil die Manufaktur nicht für solche flexiblen Aufträge ausgelegt ist. Letztendlich war es meine Bekannte Jovan von j.jackman, die mir unter die Arme griff. Sie las von meinem Made to order-Projekt auf Instagram und schlug mir vor, es mit ihrer Schneiderin zu probieren. j.jackman bietet moderne Businessmode an, die ebenfalls erst auf Bestellung in Berlin gefertigt wird. Dank Jovan näht nun Karen meine Bestellungen. Sie ist freiberufliche Schneiderin und hat ein eigenes Atelier, welches von mir zehn Minuten fußläufig erreichbar ist. Jetzt laufe ich mindestens einmal die Woche zu Karen, um meine fertig genähten Bestellungen abzuholen…ich glaube, besser konnte es nicht kommen. Obwohl doch, es kommt noch besser: Die Made to order-Kollektion ist aktuell die erfolgreichste Kollektion von l’amour est bleu! Das macht mich so unglaublich stolz, dass meine Vision in Erfüllung gegangen ist. Umso stolzer macht es mich, dass es so viele Frauen gibt, die bereit sind für ein Kleidungsstück zwei bis drei Wochen Wartezeit in Kauf zu nehmen. Das gibt mir Hoffnung, dass meine ganzen Bemühungen, die Modewelt nachhaltiger zu gestalten nicht vergebens ist. Um zu meiner Einstiegsfrage zurückzukommen. Ja, ich glaube an Schicksal und daran, dass deine Träume in Erfüllung gehen können. Und falls der ein oder andere Traum nicht wahr werden sollte, dann wartet auf dich etwas viel Besseres.