Weißt Du immer ganz genau, weshalb Du etwas tust? Ich glaube das können die wenigsten von uns, weil wir viele Dinge im Alltag unterbewusst tun. Von Designern wird erwartet, dass sie auf Anhieb etwas über die Inspiration zu ihrer Kollektion erzählen können. Mir fällt das ehrlich gesagt nicht so leicht.
Wie entsteht die Inspiration zur Kollektion?
Wenn ich mich das erste Mal mit einer neuen Kollektion befasse, geschieht das nicht, weil ich einen Inspirationsblitz habe, der die Designs aus meinem Kopf sprießen lässt. Die Zeichnungen begeben sich auch nicht wie aus Zauberhand auf Papier. Das Entwerfen einer Kollektion erfolgt bei mir tatsächlich über mehrere Designphasen. Es entspricht nicht einem geraden Pfeil mit einem konkreten Anfang und Ende. Es gleicht eher vielen Schleifen mit mehreren Wiederholungen, bis das Ende erreicht wird. Deshalb werde ich beim Entwerfen nicht von einer Inspiration angetrieben, sondern es sind eher viele kleine Inspirationen. Einige sind mir evtl. schon vor langer Zeit über dem Weg gelaufen und bilden mit neuen Entdeckungen im Alltag etwas Neues. Wenn die Kollektion finalisiert ist, versuche ich einen roten Faden durch die ganzen Gedanken ziehen und finde dann tatsächlich einen gemeinsamen Nenner.
Collection no. 01 MONOCHROME
Die erste Kollektion von l’amour est bleu habe ich MONOCHROME genannt. Es war die Farbgebung in schwarz, weiß und grau, die mir diesen Namen nahelegte. Doch es war auch mein Bedürfnis nach mehr „Eintönigkeit“ in unserer übersättigten Welt. Wir werden täglich mit unendlich vielen Eindrücken und einer viel zu großen Auswahl konfrontiert. Die heutige Digitalisierung erfordert von uns zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar zu sein. Immer mehr Menschen suchen in dieser reizüberfluteten Welt nach einer Rückzugsmöglichkeit, indem sie z. B. „Digital detox“ betreiben (bedeutet übersetzt: Handy ausschalten).
Collection Story – Feminismus
Die Story für die erste Kollektion bildete das Thema Feminismus. Es ist naheliegend, dass Du jetzt denkst: „Oh nein, bitte nicht schon wieder dieses Feministen-Thema!“ Dieser Begriff ist aktuell in aller Munde und wird kontrovers diskutiert. Dabei ist es kein neues Thema, sondern eine Wiederbelebung der Emanzipation. Während damals die Bezeichnung Emanze eher negativ behaftet war, stehen heutzutage Frauen dazu, Feministinnen zu sein und sogar Männer können Feministen sein!
Vor einiger Zeit wühlte mich ein Artikel über „wahren Feminismus“ in einem englischen Online-Magazin sehr auf. So sehr, dass ich gleich den Titel des Magazins aus meinem Kopf gelöscht habe! Darin wurden Frauen angegriffen, weil sie in den Augen der Autorin keine echten Feministinnen seien. Sich leicht bekleidet vor der Kamera zu zeigen oder offen über Sex zu reden, sei kein wahrer Feminismus. Carrie Bradshaw war eines der vielen nicht-feministischen Beispiele. Sie habe zwar viel zu einem offeneren Umgang mit Sex in der Gesellschaft beigetragen, aber sie würde niemals zur Präsidentin der USA gewählt werden. Wenn Du jetzt auch nach dem Zusammenhang dieser beiden Aussagen suchst, ergeht es Dir genauso wie mir, als ich diesen Absatz gelesen habe. In Anbetracht des heutigen amerikanischen Präsidenten, wäre Carrie Bradshaw ein weitaus kleineres Übel!
Feminismus hat für mich nichts damit zu tun, wie wenig Kleidung eine Frau trägt oder wie weiblich sie sein möchte. Feminismus bedeutet Freiheit für Frauen in jeder Hinsicht – im Beruf, im Alltag, im Lifestyle, etc. Feminismus bedeutet, dass Du als Frau selber entscheiden darfst, was Du tust, woran Du glaubst und was Du anziehst.
Meine Vorbilder für die erste Kollektion waren dabei Viola aus dem Film „Shakespeare in Love“ und Coco Chanel. Violas mutiger Kampf, um sich den Traum der Schauspielerei zu erfüllen, hat mich sehr beeindruckt. Umso mehr hat es mich tief berührt, dass sie sich zum Schluss dem Druck der Gesellschaft beugen musste. Coco Chanel ist für mich die Vorreiterin des Feminismus. Mit dem Jerseykleid (im Englischen Jumper genannt) hat sie die Frauen ihrer Zeit aus dem einengenden Korsett befreit. Sie übertrug das Streifenmuster bretonischer Matrosen auf die Mode und ermöglichte es den Frauen, sich in der Gesellschaft casual zu kleiden. Im Laufe ihres Lebens hat Coco Chanel viele Errungenschaften für die Freiheit der Frauen erzielt.
Es gibt viele Vorbilder für Feministinnen und es sollte zukünftig noch viel mehr geben. Dies sind nur zwei Beispiele für Frauen, die mich zu diesem Thema inspiriert haben. Sicher ist, dass in meinen Augen auch Carrie eine Feministin ist.
Fotos: Nancy Jesse
Hallo Thien,
Deine Monochrome-Collection 1 gefällt mir sehr gut, insbesondere das Two in One-T-Shirt. Auch deine Gedanken über Feminismus fand ich sehr inspirativ!
Danke liebe Susanne!